Schon lange hat meine Mutter nicht mehr gesprochen. Manchmal ein ja oder nein (ohne jeden Bezug, (zumindest für mich) oder ein lautes „ach Quatsch“, was schon immer ein typischer Ausdruck von ihr war, wenn sie mit etwas nicht einverstanden war.

Das hat mir sehr weh getan und war schwer auszuhalten. Immer wieder kam der Gedanke: „Nichts wie weg hier“.

Erkannt hat sie mich noch, zumindest war ich ihr vertraut, auch wenn wir uns nur alle sechs Wochen gesehen haben. Ich bin und bleibe eben die Tochter. Die Frage ist nur, ob im Geiste oder im Gefühl?

Ganz lange habe ich mich mit den Gedanken beschäftigt, was bleibt bei so einer Krankheit, was macht den Menschen aus? Ist es wirklich der Geist, der alles beherrscht oder ist das eine in unserer Welt einfach für richtig befundene Annahme.

Ist der Mensch „ohne Geist“ nicht immer noch meine Mutter? Mit all seinen/ihren Eigenschaften, dem Lächeln, den schönen blauen Augen und dem „ach Quatsch.“ Das meine Kinder heute noch benutzen zwei Jahre nach dem Tod der Oma und dann immer in Gelächter ausbrechen.

Ganz intuitiv, einfach um die Stille aushalten zu können, haben wir unsere Kommunikation verändert. Plötzlich war ich war meiner Mutter wieder nah.

Wir haben uns an den Händen gehalten, ganz einvernehmlich, am Anfang war das ein sehr befremdliches Gefühl.
Wenn sie nicht aufstehen wollte, habe ich mich zu ihr ins Bett gelegt, manchmal haben wir dann gemeinsam einen Mittagsschlaf gemacht.
Wenn sie geweint hat, habe ich mit ihr geweint und ihr gesagt, dass ich sie verstehe und es auch nicht schön finde, dass sie so krank ist.
Ich habe ihre Ohnmacht und ihren Schmerz ausgehalten und sie die meinen.
Der Spruch: „geteiltes Leid ist halbes Leid“ wurde Realität.

An guten Tagen haben wir uns ein Lächeln geschenkt, die schlechten Tage gemeinsam getragen.

Im Nachhinein eigentlich ganz einfach, wir haben den „Kanal“ gewechselt von Verstand zu Gefühl. Und es hat geklappt, nicht immer, aber es gab wirklich viele schöne Momente.
Einmal bin ich zu Besuch gekommen, öffne die Tür zu ihrem Zimmer, die Friseurin ist gerade da, meine Mutter strahlt mich an und sagt: „Ach die Birgit!“ da sind dann die Tränen gelaufen.