Nachdem wir nun endlich einen Namen für das Verhalten meiner Mutter hatten – Demenz – machten wir trotzdem erst einmal so weiter wie bisher. Wir hatten keine Informationen, keine Idee, keine Beratung. Einfach nur ein Wort, das nichts Gutes verheißt.
Meine Besuche wurden besser getaktet, ich rief jeden Tag an und hoffte, dass schon alles nicht so schlimm werden würde. Da ich 300 Km entfernt wohnte, baute ich gemeinsam mit Ihr ein engeres Hilfsnetzwerk um Sie herum. Ich war sehr froh, dass ich viele Begleiter für meine Mutter finden konnte. Die geliebte Bildzeitung wurde von der Nachbarin mitgebracht, die Einkäufe von der Cousine vervollständigt, vielen waren für uns da. Meist konnte meine Mutter die Hilfe gut annehmen, manchmal war es dann aber auch zu viel und sie wurde böse. Besonders, wenn ich mich einmischte und das tat ich leider viel zu oft.
Wenn ich für eine längere Zeit zu Besuch kam, war die Freude groß. Bereits nach einigen Tagen kam es aber immer öfter zu Streitigkeiten. Mir ging alles zu langsam, ich wollte alles bestimmen, nicht warten oder gar akzeptieren, das es auch anders (langsamer/umständlicher) geht.
Die festen und vertrauen Gewohnheiten meiner Mutter wurden durch mich aufgebrochen, an Ihrer Basis gerüttelt, was meine Mutter zur völligen Erschöpfung und Überforderung trieb. Mich übrigens auch, denn ich wollte ja nur das Beste und erreichte scheinbar das Gegenteil – für uns beide.
Als ich einmal wieder im Auto auf der Heimfahrt saß, meine Kinder auf der Rückbank betrachtete und wieder einmal einfach nur traurig und wütend zugleich war, wusste ich, ich muss etwas tun. Etwas grundlegend ändern.
In der hiesigen Bibliothek gab es nicht viel zum Thema Demenz zu lesen. Medizinische Fachbücher wollte ich nicht lesen. Es interessierte mich auch nicht, wie eine Demenz entsteht. Ich wollte wissen, wie ich mich verhalten soll. Was meiner Mutter und mir guttun würde und wie ich uns behüten und beschützen kann.- Wie ich ein gutes Beispiel für meine Kinder bin, denn schließlich werde ja auch ich einmal alt.