Sicherlich kennen Sie das alle. Sie haben sich die Hand gebrochen, ein großes Pflaster im Gesicht oder humpeln mit einer Krücke den Weg entlang.

Ihre Nachbarn, Arbeitskollegen und Freunde nehmen an Ihrem Schicksal Anteil, fragen was passiert ist und geben gute Ratschläge, wünschen alles Gute, bieten ihre Hilfe an, bis alles wieder gut ist.

Der ganz normale soziale Umgang, wie schön, dass wir uns unterstützen, wertschätzen und Interesse aneinander haben.

ABER wie erkläre ich der alten Schulfreundin, die meine Mutter und ich bei einem Spaziergang treffen, dass meine Mutter nicht versteht was sie ihr sagt, sie nicht antworten kann.

Eigentlich sagt schon der Gesichtsausdruck meiner Mutter, dass etwas nicht stimmt, sie sich unwohl fühlt, aber wer schaut schon in das Gesicht des anderen, wenn er sein ganz normales „Höflichkeitsprogram“ abspielt.

Wann merkt das Gegenüber, dass etwas nicht stimmt?

Ein lautes „ach Quatsch“ von meiner Mutter stoppt die Freundin, verwirrt verabschiedet sie sich, man könnte auch sagen sie flüchtet.

Zurück bleiben wir beide und ein ganz großer Frust auf jeder Seite, denn das etwas nicht stimmt, kann meine Mutter zwar nicht verstehen, aber ihre feinen, sehr gut funktionierenden Antennen für Stimmungen und Gefühle senden ganz klare Signale.

So gerne würde ich der Freundin hinterherrufen, erklären, sie um Unterstützung und Anteilnahme bitten aber wie?

Auch in einer weiteren Situation sah ich mich einem solchen Gefühl der Hilflosigkeit ausgesetzt.

Der Besuch in einem Kaffee, der Lieblingskuchen war lecker, wiedererkannte Gesichter, eine gute Zeit haben. Dann der Aufbruch und meine Mutter möchte nicht gehen, sie hält sich am Stuhl, Tisch fest und auch Abwarten oder gutes Zureden hilft nichts.

Ich verstehe sie nicht und sie mich nicht und die Umwelt, die anderen Gäste, senden Unverständnis, wenden sich beschämt ab, bis hin zu Aggression.

Soll ich laut sagen, meine Mutter leidet an der Krankheit Demenz, mich entschuldigen, Besuche im öffentlichen Raum vermeiden?

Ein schier unlösbarer Konflikt.

 

Als erste Hilfe haben sich Kärtchen erwiesen auf denen steht: „Meine Mutter leidet an der Krankheit Demenz“ diskret und ohne Aufsehen, kein Bloßstellen einfach nur eine Information.

Das gibt dem Gegenüber eine wichtige Information und im besten Fall kann er damit etwas anfangen und die Stimmung ändert sich.

Wir schauen lieber weg als hin, besonders wenn es peinlich wird. Eigentlich schade, denn dadurch verpassen wir oft das Wichtigste.